Sorge vor Corona-Herbst

Nach Scheitern der Corona-Impfpflicht: Scholz schließt zweiten Versuch aus, Lauterbach will weitermachen

Bundeskanzler Olaf Scholz (links) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Archivbild)

Bundeskanzler Olaf Scholz (links) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (Archivbild)

Berlin. Bundeskanzler Olaf Scholz hat das Scheitern einer allgemeinen Corona-Impfpflicht bedauert, sieht aber keine Basis für einen erneuten Anlauf. Die Aussage des Parlaments sei sehr klar gewesen, sagte der SPD-Politiker am Donnerstagabend in Berlin. „Es gibt im Bundestag keine Gesetzgebungsmehrheit für eine Impfpflicht. Das ist die Realität, die wir jetzt als Ausgangspunkt für unser Handeln nehmen müssen.“

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Zuvor hatten sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und sein bayerischer Kollege Klaus Holetschek (CSU) dafür ausgesprochen, einen neuen Anlauf zu einer allgemeinen Impfpflicht zu nehmen. Er wolle weiter versuchen, „bis zum Herbst eine Impfpflicht zu erreichen, um unnötige Opfer im Herbst zu vermeiden“, bekräftigte Lauterbach in der „Bild“-Zeitung (Freitag) noch einmal. „Als Arzt und als Politiker gebe ich nie auf, wenn es um das Leben anderer Menschen geht.“

Triumphgefühle und Enttäuschung im Bundestag

Der Bundestag hat sich am Donnerstag gegen die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland entschieden.

„Nur auf Basis eines Beschlusses der Bundesregierung“

Der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen, Till Steffen, sagte im ZDF, wenn, dann sei das aber „nur auf Basis eines Beschlusses der Bundesregierung“ möglich. Den hatte es für die Abstimmung im Bundestag wegen Meinungsverschiedenheiten in der Koalition nicht gegeben. Die FDP, die auch für den Wegfall der allgemeinen Schutzmaßnahmen gesorgt hatte, hatte eine Freigabe der Abstimmung ohne Fraktionsdisziplin durchgesetzt. Der von Scholz unterstützte Kompromissentwurf mehrerer Abgeordneter für eine Impfpflicht zunächst ab 60 Jahren war dann klar gescheitert, alle anderen Anträge ebenso.

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Gesundheitsminister Lauterbach: „Eine klare und bittere Niederlage für die Impfpflicht“

Der Bundesgesundheitsminister hatte sich nach eigenen Angaben „intensiv“ für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht eingesetzt.

Daher ist auch der derzeitige Chef der Ministerpräsidentenkonferenz, der Nordrhein-Westfale Hendrik Wüst (CDU), skeptisch, dass der Bundestag noch einen zweiten Anlauf für eine Impfpflicht unternimmt. Er glaube, dass das nicht passiert, sagte Wüst am Abend nach einem Treffen der Länder mit Scholz.

Auch Sicht des Generalsekretärs der Deutschen Immunologischen Gesellschaft, Carsten Watzl, käme ein neuer parlamentarischer Anlauf angesichts der dafür nötigen Zeit ohnehin zu spät. „Eine Impfpflicht, die erst im Herbst beschlossen würde, hätte kaum einen akuten Effekt auf die dann anstehende Welle, und man müsste wieder mit anderen Maßnahmen gegensteuern“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag). „Das Schlimmste, was passieren konnte, war gar keine Einigung.“

Sorge vor dem Herbst

Und nun? „Deutschland wird schlecht aufgestellt sein für den nächsten Herbst“, prophezeite der Vorsitzende des Weltärztebunds, Frank Ulrich Montgomery, in derselben Zeitung. Wenn sich nicht noch viele impfen ließen, „werden wir im nächsten Herbst und Winter wieder über Lockdown und Kontaktbegrenzungen reden und streiten“.

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Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund forderte mehr Engagement. „Wir erwarten, dass die Bundesregierung jetzt alle Anstrengungen unternimmt, eine echte Medienkampagne zu initiieren und damit gleichzeitig die Impfaufklärung und Beratung verstärkt“, sagte die Vorsitzende Susanne Johna den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Scholz versprach: „Wir werden alles dafür tun, dass wir trotzdem noch mehr Bürgerinnen und Bürger davon überzeugen, sich impfen zu lassen.“ Dafür gelte es nun, sich auf die Handlungsmöglichkeiten zu konzentrieren, die da seien. Es gebe eine Reihe von Ansätzen, die diskutiert worden und Teil der Vorschläge gewesen seien. Dabei gehe es darum, an die Leute heranzukommen. Hier müsse man schauen, „ob wir von diesem Teil noch ein bisschen was für die Zukunft nutzen können“. Ein Teil der nun nicht realisierten Ansätze im Bundestag war unter anderem eine Verpflichtung zu einer Impfberatung gewesen.

Derzeit ist die Impfkampagne quasi zum Erliegen gekommen. Im Wochendurchschnitt sind es täglich gut 36.000 Impfungen - zu Beginn der Kampagne waren es teils über eine Million gewesen.

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Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sieht die Chancen für eine Steigerung bis zum Herbst daher skeptisch. „Es ist nicht anzunehmen, dass die Impfrate bis dahin noch nennenswert steigt“, schrieb Verbandspräsident Thomas Fischbach in einer Mitteilung. Es drohten höhere Infektionszahlen und womöglich neue Varianten. „Diese Entwicklungen würden zwangsläufig zu neuen, einschränkenden Maßnahmen bei der Bevölkerung führen, die hätten verhindert werden können.“ Die Hauptleidtragenden seien dann erneut die Kinder und Jugendlichen. In den Funke-Zeitungen kritisierte er die Entscheidung des Bundestags als „Staatsversagen“.

RND/dpa

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