1. Startseite
  2. Panorama

Mängel bei Corona-Impfstoff von Biontech? Anwalt und Forschende erheben Vorwürfe – Unternehmen äußert sich

KommentareDrucken

Während der Corona-Krise liefert Biontech einen der ersten und begehrtesten Impfstoffe. Doch das Vorgehen des Unternehmens wirft Fragen auf.

Mainz – Die Corona-Pandemie hat Biontech zu besonderer Popularität verholfen. Das Pharmaunternehmen aus Mainz war das erste, das in Zusammenarbeit mit seinem US-Partner Pfizer einen Impfstoff gegen das heimtückische Virus auf den Markt brachte. Damit trug es augenscheinlich dazu bei, dass die Krise nicht noch schlimmere Ausmaße annahm und weit mehr Menschenleben forderte.

Biontech-Impfstoff in der Corona-Krise: Fast drei Viertel der Dosen in Deutschland gestellt

Gerade in Deutschland galt das Vakzin mit dem Namen Comirnaty, ein sogenannter mRNA-Impfstoff, als eines von besonderer Qualität und erfreute sich größerer Beliebtheit als die Präparate von Moderna, AstraZeneca oder Johnson & Johnson. Laut dem Gesundheitsministerium waren 164,7 Millionen der bis zum 8. April 2023 gelieferten 224,1 Millionen Dosen von Biontech/Pfizer. Das sind rund 73,5 Prozent. Mittlerweile ist die Nachfrage jedoch regelrecht eingebrochen. Konkurrent Novavax liefert derweil einen neuen Impfstoff.

Behandschuhte Hand hält mehrere Impfstoffdosen Comirnaty
Wurde millionenfach hergestellt: Der Biontech-Impfstoff Comirnaty soll in zwei verschiedenen Verfahren produziert worden sein. © IMAGO / Beautiful Sports

Nebenwirkungen können natürlich nie ausgeschlossen werden und gerade aufgrund des Zeitdrucks wurden die entstandenen Präparate von vielen Experten gelobt. Mittlerweile wird jedoch weniger über die Erfolge der Forschung berichtet, sondern über Impfschäden. Denn diese sind Gegenstand von immer mehr Klagen und Prozessen vor Gericht. Im Falle von Biontech steht sogar der Vorwurf im Raum, es sei bei den geimpften Bürgern mit zweierlei Maß gemessen worden.

Kritik an Biontech-Impfstoff: Anwalt sieht erhebliche Unterschiede beim zweiten Herstellungsprozess

Bekannt ist, dass bei der Herstellung von Comirnaty zwei verschiedene Prozesswege eingesetzt wurden. Dies soll der schieren Menge an benötigtem Impfstoff geschuldet gewesen sein. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), die die Vakzine vor der Zulassung überprüft, stellte selbst fest, dass „bei den ersten Prozess-2-Chargen eine Abnahme der RNA-Integrität“ zu beobachten gewesen sei, wenn diese mit den Prozess-1-Chargen verglichen wird. Erst nach einigen Anpassungen sei „der Prozentsatz der RNA-Integrität“ auf ein vergleichbares Niveau angestiegen.

Dieses Vorgehen von Biontech, das noch in diesem Jahrzehnt Krebsimpfstoffe auf den Markt bringen will, stieß bereits auf Kritik. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Marco Rogert, der sich auf Entschädigungen und Schadenersatz nach Impfschäden spezialisiert hat, äußert sich im Debatten-Magazin The European zu dem heiklen Thema. Demnach entstand der zugelassene Prozess-1-Impfstoff „mittels einer sogenannten PCR-Vervielfältigung“. Dagegen sei „das Vakzin, das letztlich die breite Bevölkerung erhielt“, also jenes aus dem Prozess 2, „in einem anderen Verfahren mittels e.coli-Bakterien erzeugt“ worden, „deren Verwendung für das genehmigte Verfahren ausgeschlossen war“.

Rogert weist auf „teils erhebliche Verunreinigungen mit DNA-Molekülen“ hin und stellt fest: „Dieses Herstellungsverfahren ‚Process 2‘ und damit der hergestellte Impfstoff weisen also erhebliche Unterschiede zur genehmigten Variante auf.“

Biontech-Impfstoff und die verschiedenen Prozesse: Forscher erwähnen Unterschiede schon im Juli 2022

Erstmals aufgegriffen wurden diese Unterschiede zwischen den Prozess-1- und den Prozess-2-Chargen in einer Arbeit der israelischen Forscher Josh A. Guetzkow und Retsef Levi, letzterer arbeitet am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. Diese wurde bereits im Juli 2022 in der Fachzeitschrift The BMJ veröffentlicht.

Flaggen mit Biontech-Schriftzug vor einem Gebäude
Seit der Corona-Pandemie in aller Munde: Der Pharmakonzern Biontech ist in Mainz zu Hause. © IMAGO / Herrmann Agenturfotografie

Demnach gab es für das zweite Verfahren, das eben schneller umgesetzt werden sollte, um der großen Nachfrage nachzukommen, „Änderungen an der DNA-Vorlage, die für die Transkription der RNA verwendet wird, sowie an der Reinigungsphase und dem Herstellungsverfahren der Lipid-Nanopartikel“ (LNP). Letztere wurden bereits kontrovers diskutiert, das bayerische Gesundheitsministerium erklärte bereits im Juni 2021 im Zusammenhang mit den Vakzinen, es schätze „die möglichen Gesundheitsgefahren im Rahmen der zugelassenen Anwendungsgebiete für Lipidnanopartikel gering ein“.

Biontech verteidigt Impfstoff: „Beide Herstellungsverfahren weisen vergleichbare Qualität auf“

Auf Nachfrage von IPPEN.MEDIA teilt das Unternehmen lediglich mit: „Die Herstellungsverfahren im kleinen Maßstab („Prozess 1“) und im großen Maßstab („Prozess 2“) wurden den zuständigen Behörden zur Prüfung vorgelegt und von ihnen validiert. Beide Herstellungsverfahren weisen eine vergleichbare Qualität auf.“

Weiter heißt es: „Der Wirkstoff für den COVID-19-Impfstoff, der sowohl nach „Prozess 1“ als auch nach „Prozess 2“ hergestellt wurde, kam bereits in der 2020 initiierten zulassungsrelevanten klinischen Studie (C4591001) ohne Auffälligkeiten mit Blick auf die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs zum Einsatz.“

Wissenschaftler streiten über Biontech-Impfstoff: Prozess-2-Vakzin nur an 250 Personen getestet?

Verwiesen wird auch auf einen Artikel auf dem Portal Health Feedback, auf dem sich Wissenschaftler austauschen. In diesem Text entgegnet der Immunologe Pablo Rougerie der französischen Biostatistikerin Christine Cotton, die Pfizer und damit auch Biontech vorwirft, den Prozess-2-Impfstoff nur an 250 Personen getestet und die Ergebnisse nicht zugänglich gemacht zu haben. Dies hält sie für „den größten Skandal in der Geschichte der Pharmaindustrie“.

Rougerie wiederum wirft ihr vor, zu verschweigen, dass die Impfstoffe beider Prozesse von vergleichbarer Qualität seien. Unterschiede lägen lediglich darin, wie die enthaltene mRNA synthetisiert und gereinigt wurde. Zudem gehe aus den Unterlagen hervor, dass nicht insgesamt 250 Personen testweise mit dem Prozess-2-Vakzin geimpft worden seien, sondern rund 250 Personen pro Charge als Probanden zum Einsatz gekommen seien. Erwähnt wird in dem Artikel auch, dass sich die EMA zunächst nur für eine bedingte Zulassung entschieden habe, die entsprechenden Nachbesserungen jedoch erfolgten. (mg)

Auch interessant

Kommentare