Eine Frau wird in einem Impfzentrum mit einem Corona-Impfstoff geimpft.
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Eine Frau aus Hof klagt vor dem Oberlandesgericht Bamberg gegen einen Pharmakonzern, nachdem sie einen Impfschaden erlitten hat.

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Patientin klagt: Astrazeneca soll Zahl der Thrombosefälle nennen

Am Oberlandesgericht Bamberg fand eine weitere Verhandlung im Zivilprozess gegen Astrazeneca statt. Eine Hoferin klagt gegen den Pharmakonzern, nachdem sie einen Impfschaden erlitten hat. Das Gericht will auch über eine Auskunftsklage entscheiden.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten Franken am .

Am Oberlandesgericht (OLG) Bamberg ist am Montag der Zivilprozess gegen den Pharmakonzern Astrazeneca fortgesetzt worden. Eine Oberfränkin hatte geklagt, einen Impfschaden erlitten zu haben. Nach einer Darmvenenthrombose musste ihr ein Teil des Darms entfernt werden. In dem Verfahren am OLG ging es eigentlich ursprünglich über eine zweitinstanzliche Entscheidung zu einer Schadenersatzklage. In der ersten Instanz hatte das Landgericht Hof die Klage abgewiesen. Nun hat die Klägerin durch ihren Anwalt zusätzlich eine Auskunftsklage gegen den Pharmakonzern eingereicht. Der Rechtsanwalt der Klägerin, Volker Löschner, fordert darin den Vakzinhersteller auf, alle ihm bekannten Fälle und auch alle Verdachtsfälle, Risiken, Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen offenzulegen, die im Zusammenhang mit Impfungen aufgetreten seien. Der Pharmakonzern forderte in der Verhandlung die Abweisung dieser Auskunftsklage. Das Gericht will am 18. März darüber entscheiden, ob alle bekannten Fälle von Thrombosen im Zusammenhang mit der Impfung bis Ende Dezember 2023 vorgelegt werden müssen.

Vor Schadenersatzklage wird Auskunftsklage behandelt

"Im heutigen Temin hat der vierte Zivilsenat darüber verhandelt, in welchen Umfang Auskunft darüber erteilt werden muss, welche Wirkungsweise, welche Fälle bekannt sind, die zu einer Thrombose geführt haben“, erklärt der Pressesprecher des Oberlandesgericht, Stefan Tratz, am Montag. Der beklagte Pharmakonzern sei dabei der Auffassung, dass diese Auskunft bereits erteilt worden sei. Der Klägervertreter hingegen sieht die Auskunft noch nicht in vollem Umfang gegeben. Ob der Auskunftspflicht im vollem Umfang nachgegangen worden sei, will das Gericht im März entscheiden.

Die Informationen aus der Auskunftsklage mit den entsprechenden Daten sind dann Voraussetzung für ein Gutachten über den Impfstoff. Erst danach kann über eine weitere Schadenersatzklage entschieden werden. Die Klägerseite bewertete den Ausgang der heutigen Sitzung positiv. Der Impfstoffhersteller sei nun eventuell durch das Gericht gezwungen, alle Daten über aufgetretene Thrombosen und über schwere Folgen der Vektorimpfung von Astrazeneca zu informieren, so Anwalt Volker Löschner.

Viel Grundsätzliches noch einmal vor Gericht

In der Verhandlung am Montag hat die rechtsanwaltliche Vertretung von Astrazeneca noch einmal eingeräumt, dass der Impfstoff geeignet sei, eine Darmvenenthrombose zu verursachen. Doch insgesamt müsse die Frage gestellt werden, ob die Klägerin sich hätte nicht impfen lassen, wenn sie weitere Informationen zum Impfstoff gehabt hätte oder ob sie sich überhaupt über Nebenwirkungen aufklären ließ. Streitpunkt ist vor allem der Termin der Impfung.

Bis 28. Februar 2021 hätten nach einer ersten Auskunft des Pharmakonzerns lediglich vier Fälle von Darmvenenthrombosen bei damals 16 Millionen Verimpfungen vorgelegen. Die 33-Jährige aus Hof wurde am 10. März 2021 mit dem Vakzin von Astrazeneca geimpft. Kurz danach kam es zu einer Darmvenenthrombose bei ihr. Nur durch die Entfernung eines Teils des Darms konnte das Leben der Frau gerettet werden. Der Pharmakonzern legte dazu ein Papier der Ständigen Impfkommission (Stiko) vor, nachdem diese am 19. März 2021 noch keine Altersbeschränkung für den Impfstoff von Astrazeneca aufgrund von Thrombosen erlassen habe. Die erfolgt erst wenig später, nämlich am 01. April 2021. Da änderte die Stiko die Empfehlung zur Impfung mit Astrazeneca. Nach mehreren Fällen gefährlicher Blutgerinnsel wurde ab diesem Zeitpunkt der Impfstoff nur noch für über 60-Jährige empfohlen.

Erst Auskunftsklage, dann Schadenersatzklage

Im Falle der Schadenersatzklage fordert die Frau aus Hof mindestens 250.000 Euro Schmerzensgeld sowie 17.200 Euro für einen Verdienstausfall und bis zu 600.000 Euro für künftige Beeinträchtigungen. Der Vakzinhersteller hat einen Vergleich mit der Klägerin bislang ausgeschlossen.

Der Pharmakonzern teilte nach der ersten Verhandlung mit: "Arzneimittelbehörden auf der ganzen Welt haben bestätigt, dass die Vorteile einer Impfung mit unserem Covid-19-Impfstoff Vaxzevria die Risiken der extrem seltenen potenziellen Nebenwirkungen überwiegen". Der Vakzinhersteller verweist dabei auf die Entscheidung der ersten Instanz. Das Landgericht Hof hatte die Klage der Frau abgewiesen, da es weder einen Produktfehler noch einen Informationsfehler feststellen konnte. Dagegen legte die Frau Berufung ein. Der Prozess wird seit vergangenem August am Oberlandesgericht in nächster Instanz verhandelt.

Das OLG Bamberg stellte in der Verhandlung im August 2023 fest, dass die von Astrazeneca herausgegebene Fachinformation zum damaligen Zeitpunkt keinen Hinweis auf das Risiko einer Darmvenenthrombose enthalten hätte. Allerdings stützt das OLG die Auffassung der Vorinstanz, dass ein Produktfehler nicht feststellbar sei. Die Risiken seien im Verhältnis zum gesellschaftlichen Nutzen beim Kampf gegen das Corona-Virus nach den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft überschaubar. Entscheidend sei dabei der Wissenstand der Forschung zum damaligen Zeitpunkt gewesen.

Überall in Deutschland laufen Klagen

Ein Vergleich im Zivilprozess am Oberlandesgericht Bamberg wird bisher von den Anwälten des Impfstoffherstellers ausgeschlossen. Derzeit laufen in ganz Deutschland Haftungsklagen gegen Vakzinhersteller. Erst in der vergangenen Woche wurde am Landgericht Frankfurt eine Schmerzensgeldklage gegen Biontech abgewiesen. Durch die Zulassung sei bestätigt, "dass der Impfstoff kein unvertretbares Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist", erklärte das Gericht bei der Urteilsverkündung am vergangenen Mittwoch. Eine Haftung scheide daher aus. Die Düsseldorfer Kanzlei, die das Verfahren in Frankfurt führte, vertritt nach eigenen Angaben fast 3.000 Mandanten und Mandantinnen, die Schadensersatz wegen angeblicher Schäden durch eine Corona-Impfung verlangen. Auch am Landgericht Mainz wurde im vergangenen Jahr, am 21. August, eine Schadenersatzklage gegen Biontech abgewiesen, da das Gericht den Nutzen der Impfung für die Allgemeinheit höher als das Risiko eines möglichen Impfschadens einschätzte.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit wurden bis zum 8. April 2023 insgeesamt 224,1 Millionen Dosen Impfstoff ausgeliefert. Die Lieferungen stammen von den Herstellern Biontech/Pfizer (164,7 Millionen Dosen), Moderna (37,7 Millionen Dosen), Astrazeneca (14,4 Millionen Dosen), Johnson & Johnson (5,4 Millionen Dosen), Novavax (1,9 Millionen Dosen), Valneva (100.000 Dosen) und Sanofi (6.000 Dosen). Die Lieferungen beinhalteten auch 13,6 Millionen Dosen angepassten Omikron-Impfstoff.

Dieser Artikel ist erstmals am 19. Februar 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.

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