Zoff um Corona-Maßnahmen: Verfassungs-Experten gehen auf Lauterbach los

Er frage sich hinsichtlich der Corona-Maßnahmen, „ob es jetzt wirklich auf ein paar Wochen ankommt“, erklärte Karl Lauterbach (59, SPD). Eine Aussage, die Verfassungsexperten alarmiert

Er frage sich hinsichtlich der Corona-Maßnahmen, „ob es jetzt wirklich auf ein paar Wochen ankommt“, erklärte Karl Lauterbach (59, SPD). Eine Aussage, die Verfassungs-Experten alarmiert

Foto: Michael Sohn/AP
Von: Luisa Volkhausen

Aus „verfassungsrechtlicher Sicht unvertretbar“! Eine „Unverschämtheit“!

Verfassungs-Experten gehen auf Karl Lauterbach (59, SPD) los. Auslöser für die Empörung: Aussagen des Bundesgesundheitsministers zum Ende der Corona-Schutzmaßnahmen.

So hatte der Bundesgesundheitsminister am Dienstagabend im ZDF-„heute journal“ gesagt: „Ich frage mich, ob es jetzt wirklich auf ein paar Wochen ankommt, wo wir in einer so kritischen Situation sind.“ Oder ob man mit der Aufhebung der Maßnahmen nicht warten wolle, bis die jetzige Winterwelle vorbei sei. „Da kommt es doch jetzt nach drei Jahren Pandemie auf ein paar Wochen nicht an“, so Lauterbach weiter.

„Eine Unverschämtheit“, kommentiert Verfassungs-Experte Volker Boehme-Neßler (59), Professor an der Universität Oldenburg, diese Lauterbach-Aussagen. „Eigentlich sagt Lauterbach damit: Wir hatten so lange Grundrechtseingriffe, dann kommt es auf ein paar Wochen mehr auch nicht mehr an – das ist aber völlig falsch, ein verfassungsrechtlicher Hammer.“

Vielmehr fordert der Experte: Die Corona-Maßnahmen müssen sofort aufgehoben werden, wenn sie nicht mehr notwendig sind.

Auch Verfassungs-Experte Josef Franz Lindner (56), Professor an der Universität Augsburg, sagt: „Lauterbachs ‚paar-Wochen-These‘ ist aus verfassungsrechtlicher Sicht unvertretbar. Eine Maßnahme, die sich nicht mehr rechtfertigen lässt, muss sofort aufgehoben werden, nicht erst in ein paar Wochen oder Monaten.“

Die Verfassung fordere in der jetzigen Situation zwei Schritte, erklärt Lindner: „Erstens: Jede noch bestehende Maßnahme, insbesondere die Maskenpflicht, muss unverzüglich daraufhin überprüft werden, ob sie zur Bekämpfung von Corona noch erforderlich ist. Wenn nicht, ist sie - zweitens - sofort aufzuheben.“

Dabei seien durchaus Differenzierungen denkbar: So werde man die Maskenpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen noch rechtfertigen können, meint der Experte, „die Maskenpflicht im ÖPNV oder im Fernverkehr der Bahn hingegen eher nicht mehr“.

Außerdem kritisieren die Experten: Eine Aufrechterhaltung der Maßnahmen würde nicht länger mit der Corona-Lage, sondern auch mit dem Schutz vor anderen Atemwegserkrankungen begründet.

Das ist aber nicht zulässig, erklärt Verfassungs-Experte Lindner: „Das Infektionsschutzgesetz erlaubt eine Maßnahme wie die Maskenpflicht ausschließlich ‚zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)‘ – nicht hingegen zum Schutz gegen andere Atemwegsinfektionen.“ Dafür setze der Gesetzgeber auf Eigenverantwortung.

„Vor Corona wäre eine Maskenpflicht zum Schutz vor Grippe nicht denkbar gewesen“, sagt auch Boehme-Neßler. Er fürchtet einen „Wenn die Maßnahmen schon einmal da sind“-Umgang mit den Grundrechten.

Nachdem Virologe Christian Drosten (50) von einem Ende der Pandemie gesprochen hatte, ist die Debatte um die Corona-Maßnahmen neu entbrannt. Bundesjustizminister Marco Buschmann (45, FDP) hatte als politische Konsequenz auf die Drosten-Aussage ein Ende der letzten Schutzmaßnahmen gefordert.

Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) hatte schlicht auf die Befugnisse der Bundesländer verwiesen – die aktuelle Gesetzeslage ermögliche es den Ländern, sich „sehr flexibel“ an sich verändernde Lagen anzupassen, so die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann am Mittwoch.

Die aktuell geltenden Corona-Maßnahmen beruhen auf der aktuellen Fassung des Infektionsschutzgesetzes, das noch bis zum 7. April 2023 gilt. Die Union hatte eine Maßnahmen-Sonderkonferenz von Bund und Ländern Anfang Januar gefordert – das wies Hoffmann aber zurück: Sie halte es aber für „sehr unwahrscheinlich“, dass Scholz das für nötig befinden werde.

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