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Corona-Experte sieht katastrophale Fehleinschätzung bei Impfungen und vermisst Aufarbeitung

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Mit seinem Moerser Modell wurde Dr. Thomas Voshaar zum Corona-Experten. Nun spricht der Lungenarzt aus NRW über Fehler, die noch heute Auswirkungen haben.

Moers – Vor vier Jahren wurde im Krankenhaus Bethanien in Moers in NRW der erste positiv auf Corona getestete Patient eingeliefert. Chef der Lungenklinik war damals Dr. Thomas Voshaar. Mit seinem Moerser Modell wurde der heute 65-Jährige ein weltweit gefragter Experte im Kampf gegen Covid 19. Alexander Schäfer von wa.de sprach mit dem Mediziner über Erfolge und Fehler in der Pandemie.

Sie haben im Dezember 2020 gesagt: „Wir bereiten uns auf eine Katastrophe vor“. Weil die Politik Lockerungen an Weihnachten beschlossen hatte. Ist es so gekommen?

Nein. Es gab damals angespannte Phasen in allen Krankenhäusern, natürlich auch bei uns. Eine Katastrophe in dem Sinne, dass wir als Krankenhaus überlastet waren, ist jedoch nicht eingetreten. Wir haben aber unglaublich viele katastrophale Schicksale von Familien erlebt.

Welche Schicksale meinen Sie?

Zu uns sind Menschen aus der ganzen Bundesrepublik, aus der Schweiz, aus den Niederlanden und aus Belgien angereist. Ich erinnere mich an drei Familienmitglieder aus Belgien. Es waren die letzten von, ich glaube, 17. Die anderen waren gestorben, jung wie alt. Dann haben diese drei sich auf den Weg gemacht, weil sie von uns gelesen hatten und haben gesagt, wir kommen zu euch und ihr müsst jetzt dafür sorgen, dass wir nicht auch noch sterben.

Armin Laschet (r, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, lässt sich im Krankenhaus Bethanien von Thomas Voshaar, Chefarzt der Pneumologie, die Beatmung von Covid-19-Patienten erklären. Der Politiker informierte sich über Behandlungsmethoden von Covid-19-Patienten und tauschte sich mit Mitarbeitern des Krankenhauses aus
August 2020 im Einsatz: Dr. Thomas Voshaar, Chefarzt der Pneumologie im Krankenhaus Bethanien in Moers, erklärt dem damaligen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet die Beatmung von Covid-19-Patienten. © Marius Becker/dpa

So viele Corona-Tote in einem Familienverbund. Wie kann das sein?

Wenn sich große Familien über mehrere Stunden in sehr engen Räumen getroffen, zusammen gegessen und geplaudert haben, dann hat das dazu geführt, dass diese Personen innerhalb von kurzer Zeit schwer krank wurden. Ursache war die hohe Viruslast im Raum. Je größer die Menge an Viren, die man eingeatmet hatte, desto sicherer und meistens auch schwerer und schneller wurden die Menschen krank. Gestorben sind die meisten dann an der Beatmungsmaschine.

Corona-Patienten aus Belgien finden Hilfe in NRW

Konnten Sie den Patienten aus Belgien helfen?

Ja, es ist alles gut ausgegangen. Wie auch bei der Mutter mit ihrer erwachsenen Tochter aus Dortmund. Die hatten wir sogar aufgenommen, obwohl sie noch gar nicht krank waren.

Was war passiert?

Die beiden kamen mit dem Auto aus Dortmund und stellten sich gegen 19 oder 20 Uhr bei uns in der Notfallambulanz vor. Sie waren positiv getestet, aber nicht wirklich krank. Sie sagten uns, dass aus ihrer Familie bis auf sie beide alle tot seien. Ehemann und Vater, Geschwister, Onkel und so weiter. Sie weinten und zitterten, wollten nicht wieder nach Hause und haben sich nicht wegschicken lassen.

Wie ist das mit denen aus Dortmund ausgegangen?

Sie sind tatsächlich erkrankt. Die Mutter hatte einen mittelschweren Verlauf, die Tochter ist relativ leicht erkrankt. Beide haben überlebt.

Wie vielen Menschen hat Ihr Moerser Modell, das unter anderem gegen eine frühzeitige invasive Beatmung war, das Leben gerettet?

Wir haben das wissenschaftlich aufgearbeitet und auch international publiziert. Wir waren meines Wissens das einzige Krankenhaus in Deutschland, das wirklich jede Woche seine Corona-Zahlen offengelegt hat. Alter, Geschlecht, wie viele werden wie beatmet, wie viele sind gestorben, wie viele haben überlebt? Daher wissen wir, dass es mehr als 500 Patienten waren, die nach internationaler Definition schwerstkrank und intensivpflichtig waren. Wir hatten unter den intensivpflichtigen Patienten eine Sterblichkeit von unter 10 Prozent, während es weltweit und auch in Deutschland zwischen 30 und 80 Prozent waren. Die 80 Prozent Sterblichkeit bei invasiver Beatmung stammen aus einer gerade erst zur Publikation angenommenen deutschen retrospektiven Untersuchung.

Karl Lauterbach macht als Gesundheitspolitiker „eine Menge Fehler“

Der damalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn haben 2020 Ihre Klinik besucht. War Karl Lauterbach auch mal da?

Nein. Wir haben ein- oder zweimal telefoniert. Von unserem Modell hatte er „von seinen Freunden aus Harvard“ gehört. Das hat er zumindest so in der Sendung von Markus Lanz erzählt. Danach haben wir etwas länger telefoniert. Weitere Kontakte gab es nicht.

Wie bewerten Sie seine Arbeit als Gesundheitsminister in der Pandemie?

Er soll ein sehr kluger Gesundheitsökonom sein. Als Gesundheitspolitiker macht er eine Menge Fehler, vieles ist nicht abgestimmt und zu Ende gedacht. Er scheint auch eine gewisse und gepflegte Beratungsresistenz zu haben. Was allerdings gegenüber Lobbyisten als positiv zu bewerten ist. Es ist ein schwerer Job und er hat sich Großes vorgenommen, das muss man anerkennen.

Was werfen Sie Lauterbach und der Corona-Politik vor?

Das Gegenteil von Panik ist ein vernunft- und datenbasierter Plan. Es war ein Fehler, alle Corona-Maßnahmen mit dem Schüren von Angst zu verbinden. Wenn sie Menschen für etwas gewinnen und führen wollen, dann müssen sie mit Vernunft und Umsicht entscheiden und auch kommunizieren. Angst, Lobbyismus, Ideologie, Vorteilsnahme, Lagerbildung und tendenziöse Beratung haben zu Fehlern und Versäumnissen geführt.

Dr. Thomas Voshaar
Dr. Thomas Voshaar ist mittlerweile im Ruhestand. © Pascal Skwara/Krankenhaus Bethanien

Welche Fehler waren das?

Wir wussten früh, dass die Ansteckungsgefahr in kleinen Innenräumen groß war, es draußen aber praktisch überhaupt keine gab. Trotzdem gab es Einschränkungen auch für den Aufenthalt an der frischen Luft. Es war auch klar, dass man eine Infektion nie sicher verhüten kann. Man kann das Risiko aber reduzieren, was schon viel ist. Weder durch Masken noch durch Kontaktbeschränkungen kann man das Infektionsrisiko auf Null bringen. Trotzdem haben viele an die Null-Covid-Strategie geglaubt und sie verfolgt. Ein Irrtum. Und ein wirklich katastrophaler Fehler mit vielen Folgen war es zu glauben, dass die Impfung die Übertragbarkeit beeinflusst. Wir wussten, dass dem bei Atemwegsviren nicht so ist. Die Impfung schützte vor einem schweren Verlauf, aber die Übertragbarkeit beeinflusste sie allenfalls minimal.

„Man wurde geächtet, wenn man sich nicht hat impfen lassen. Das darf nie wieder passieren“

Die 2G-Regel war also falsch?

Der damalige Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery sprach bis zum Schluss von der Tyrannei der Ungeimpften. Nicht nur er hat Menschen aus dieser Gesellschaft ausgegrenzt. Man wurde geächtet, wenn man sich nicht hat impfen lassen. Das darf nie wieder passieren. Die 2G-Zugangsregeln waren falsch. So falsch wie die Streichung des Genesenen-Statuts nach nur drei Monaten. Wir wussten aus den Basiswissenschaften, dass eine tatsächlich durchgemachte Infektion einen besseren, einen breiteren und vor allem länger anhaltenden Schutz als jede Impfung bietet. Für meine Äußerung, wir müssten nach zwei Impfungen das Geschehen nun im Sinne einer weiteren Adaptation des Immunsystems an neue Varianten laufen lassen, um den sicheren endemischen Zustand zu erreichen, wurde ich unangemessen beschimpft.

Was wurde versäumt?

Wir haben von Anfang an all das, was wir getan haben, nicht wissenschaftlich begleitet. Wir haben nicht beobachtet, was passiert, wenn wir diese oder jene Maßnahme verhängen. Oder: Was passiert eigentlich nach der Impfung? Das haben wir nicht untersucht beziehungsweise gezielt beobachtet. Wir haben für Milliarden Euro Impfstoffe gekauft, aber wir haben keine begleitenden Beobachtungsstudien aufgesetzt. Es war Hendrik Streeck praktisch als Einzelperson, der genau geschaut hat, wie das mit den Antikörpern ist, wer welche Antikörper entwickelt und wie sich ein Antikörper-Titer verhält. Das heißt, wir hatten und haben im Grunde ein starkes wissenschaftliches Versagen. Bis heute. Und noch schlimmer, Aufarbeitung wird blockiert.

Bis heute?

Ja, es werden zum Beispiel Auffrischungsimpfungen empfohlen, obwohl wir dafür praktisch keine Datengrundlage haben. Es gibt Menschen, bei denen ein Post-Vac-Syndrom vermutet wird. Wir wissen aber nicht, was das ist. Diese Menschen erfahren weniger Aufmerksamkeit als zum Beispiel Menschen mit einem sogenannten Post-Covid-Syndrom. Wir wissen bis heute konkret und belastbar wenig über die Wirksamkeit der Impfung und über mögliche Nebenwirkungen. Es gibt jetzt große Studien, denen zufolge die Impfung weniger gebracht hat, als man bislang angenommen hat. Es gibt zudem eine aktuell publizierte multinationale Kohortenstudie mit fast 100 Millionen Geimpften. Demnach treten nach der Impfung Nebenwirkungen häufiger auf als bislang angenommen. Aber der allgemeine Tenor war, dass es keine Nebenwirkungen gibt – ohne das wissen zu können. Verstehen Sie mich nicht falsch: Die Impfung war wahrscheinlich unsere Rettung, das glaube ich bis heute. Aber es wurde versäumt, in begleitende Kohortenstudien zu investieren, um zu untersuchen, wie der Verlauf bei geimpften und bei ungeimpften Menschen ist. Konkret stellt sich die Frage der absoluten Risikoreduktion in bestimmten Altersgruppen.

Über Thomas Voshaar

Thomas Voshaar wurde bereits vor seinem 34. Geburtstag Chefarzt der Klinik für Lungen- und Bronchialheilkunde in Moers. In der Corona-Pandemie – neue Varianten sorgen teils für ungewöhnliche Symptome – machte er sich als Experte einen Namen und zählte zum engen Beraterkreis von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Mit dem sogenannten Moerser Modell, einem ganzheitlichen Modell zur Coronapatientenversorgung, erlangte der Mediziner weltweite Anerkennung. Seit Ende September 2023 befindet sich der heute 65-Jährige im Ruhestand. Aktiv ist er aber weiterhin – zum Beispiel als stellvertretender Vorsitzender des Vereins „Sokrates, ein Forum kritischer Rationalisten“.

Aktuell keine „wissenschaftliche Basis für eine fünfte oder sechste Impfung“

Sie haben sich in einem TV-Interview für eine Neubewertung der Impfstoffe ausgesprochen? Warum?

Neben den offenen Fragen zu der tatsächlichen Wirkung der mRNA-Impfstoffe und der Häufigkeit von Nebenwirkungen gibt es einen dritten Punkt, der jetzt rasch wissenschaftlich aufgearbeitet werden muss. Es gibt aus verschiedenen Ländern und Laboren Hinweise, dass der mRNA-Impfstoff mit DNA verunreinigt ist. Das liegt am Herstellungsprozess. Der ist bei der Firma Pfizer nach der Zulassung des Impfstoffes wohl für die Großproduktion geändert worden. Es gibt sogar von der WHO eine Spezifikation für den Impfstoff, die festlegt, wie viel DNA als Verunreinigung noch akzeptabel ist. Diese Menge wird offensichtlich häufiger überschritten. Ob das eine Gefahr für den Organismus darstellt oder nicht, wissen wir noch nicht. Das Problem ist aber eben unser Nicht-Wissen. Da die DNA-Bruchstücke ebenso wie die mRNA in Nanolipide sozusagen verpackt sind, können sie auch in die Zellen gelangen, wohl auch in die Zellkerne. Es gibt noch weitere neue Informationen zum Herstellungsprozess und die gezielten Programmierungen auf der Plasmid-DNA, die ja als Matrize für die mRNA-Herstellung dient. Diese Informationen kommen jetzt so stückchenweise an die Öffentlichkeit, was zunächst einmal Besorgnis auslöst. Das muss alles thematisiert und sorgfältig untersucht werden. Impfungen an sich dürfen nicht diskreditiert werden. Ohne Impfung gäbe es unsere Zivilisation so nicht. Deshalb ist es so wichtig, dass man jedem Verdacht sofort nachgeht und vor allem nicht blockiert.

Lassen Sie sich noch gegen Corona impfen?

Nein. Ich bin zweimal geimpft und hatte eine wissentliche Infektion. Das reicht. Weitere Infektionen werden kommen und mein Immunsystem updaten und frisch halten. Ich kann im Moment nicht erkennen, dass wir eine wissenschaftliche Basis für eine fünfte oder sechste Impfung haben. Ganz im Gegenteil: Es könnte sein, dass das sogar nachteilig ist.

Das RKI empfiehlt aber unter anderem Personen über 60 weiter die Impfung.

Ich weiß. Aber ich komme in der Beurteilung zu einem anderen Ergebnis. Das RKI hat in der Vergangenheit auch die Impfung für Kinder empfohlen. Das ist rückblickend überflüssig gewesen. Man ist bei der Empfehlung für ältere Menschen geblieben. Aber dass man die impfen muss, ist nach wie vor nicht wissenschaftlich evident. Wie gesagt, es fehlen überall valide Daten. Die werden ersetzt durch eine übermächtige Meinung.

Ist Schweden besser durch die Pandemie gekommen?

Es scheint am Ende so zu sein, dass die Schweden es besser gemacht haben. Um das wirklich beurteilen zu können, müssten wir aus Deutschland erst einmal verlässliche Untersuchungsergebnisse haben. Aber wir haben aus Deutschland zu wenig konkrete und valide Zahlen und Daten. Wir sind eher das Land von Meinungen und Überzeugungen ohne Daten.

Tragen Sie noch Maske?

Nein. Ich arbeite ja nicht mehr im Krankenhaus. Ich würde vielleicht eine tragen, wenn ich furchtbar erkältet wäre und irgendwo hingehen müsste. Damit ich niemanden anstecke. Aber im normalen Alltag gibt es für mich keinen Grund, eine Maske zu tragen.

Wie gefährlich ist Covid 19 heute?

Auch oder gerade weil die Influenza jedes Jahr etwas anders verläuft, darf man es jetzt mit der Grippe vergleichen. In 2020 war das anders.

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