Politik

Hausärzte und Labore kritisieren geplante Apothekenreform

  • Freitag, 14. Juni 2024
/picture alliance, Marcus Brandt
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Berlin – Die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplante Apothekenreform trifft nicht nur auf massiven Widerstand aus der Apothekerschaft, sondern auch auf deutliche Kritik des Deutschen Hausärztinnen- und Hausärzteverbands (HÄV) sowie der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM).

Der Entwurf für ein Apotheken-Reformgesetz (ApoRG), der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, sieht neben vielen regulatorischen Neuerungen und Honorarveränderungen auch vor, Apotheken das Recht zur Durchführung einer Reihe von Impfungen und Tests einzuräumen.

So sollen Apothekerinnen und Apotheker durch eine Anpassung von Paragraf 20c Infektionsschutzgesetz (IfSG) berechtigt werden, Impfungen mit Totimpfstoffen durchzuführen, also solchen ohne replikationsfähige Krankheitserreger.

Zudem soll mit einer Änderung von Paragraf 24 IfSG der dort enthaltene Arztvorbehalt bei der Durchführung von patientennahen Schnelltests in Apotheken aufgehoben werden. Eine Anpassung des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) soll außerdem die Werbung für In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung erweitern und Apotheken außerhalb von Fachkreisen die Werbung für Testungen gestatten.

„Dass zukünftig Apotheken alle möglichen Impfungen – von der Tetanus- bis zur FSME-Impfung – anbieten können, ist eine Sackgasse und wird nicht dazu führen, dass die Impfquoten steigen“, kritisieren die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Nicola Buhlinger-Göpfarth und Markus Beier.

Die trotz massiver Werbung sehr geringe Anzahl an Corona- und Grippeimpfungen, die in den letzten Jahren in den Apotheken durchgeführt wurden, würden zeigen, dass diese Rechnung nicht aufgeht. „Statt aus diesen Fakten die richtigen Schlüsse zu ziehen, plant der Gesetzgeber das Impfangebot in den Apotheken nun sogar massiv auszuweiten“, erklären Buhlinger-Göpfarth und Beier.

Es mangele nicht an Impfangeboten in Praxen. Das Problem sei vielmehr, dass es zu häufig keine klaren Verantwortlichkeiten gibt, weswegen der Verband seit jeher dafür plädiere, die Impfungen stärker in den Hausarztpraxen zu bündeln. So könne sichergestellt werden, dass jemand den Gesamtüberblick über notwendige oder fehlende Impfungen hat.

Die Zahlen aus der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV) würden zeigen, dass diese Bündelung der Verantwortung funktioniert. In der HZV seien die Impfquoten laut Erhebungen der Krankenkassen zehn Prozent höher als in der Regelversorgung.

Der Verband schlägt vor, statt der geplanten Neuregelungen die Beratungskompetenz der Apotheken stärker zu nutzen und einen festen Prozess zu etablieren, wie Impflücken auch durch die Apotheken erkannt werden können, um die Betroffenen im Anschluss strukturiert in die Praxen zu vermitteln. „Dies wäre der deutlich zielführendere Weg und würde gleichzeitig auch den administrativen Aufwand für die Apotheken reduzieren“, betonen Buhlinger-Göpfarth und Beier.

Die Akkreditierten Labore wiederum stoßen sich an den Plänen, die Befugnisse zur Durchführung von Tests zu vergrößern. So sollen sie künftig die Anwendung von patientennahen In-vitro-diagnostischen Schnelltests (POCT) zum Nachweis von Adenovirus, Influenzavirus, Norovirus, RSV und Rotavirus anbieten dürfen.

„Nach Vorstellung des Ministers sollen kranke Menschen mit Stuhlproben in die Apotheke gehen, die dort aus dem flüssigen Stuhl die Schnelltests und später dann auch noch die PCR durchführen? Dafür sollen die Apotheken dann auch noch Werbung machen dürfen? Das kann man doch nicht ernsthaft wollen“, kritisiert der ALM-Vorsitzende Michael Müller.

Nicht nur seien heute verfügbare Schnelltests wegen Ihrer nicht ausreichenden diagnostischen Nachweisempfindlichkeit, also der Sensitivität, nicht für die Diagnosestellung geeignet. Vielmehr solle die Indikationsstellung für die Diagnostik ärztlicherseits erfolgen. Es gebe gute Gründe, in Einzelfällen auch auf die Diagnostik zu verzichten.

Darüber hinaus sei es erforderlich, bei Infektionserkrankungen das Risiko von Ausbruchsgeschehen zu erfassen und zu bewerten. „Das sind Dinge, die in der Apotheke nicht geleistet werden können“, sagt Müller. Auch die ärztliche Beratung und die klinische Untersuchung, die stets zur Indikationsstellung von Laboruntersuchungen gehören, könnten nicht von Apothekern geleistet werden.

„Apotheken sind doch keine Labore; In-vitro-Labordiagnostik zur Feststellung von Infektionserkrankungen gehört in ärztliche Hände“, unterstreicht Müller. „Eine Ausweitung der Aufhebung des Arztvorbehaltes zur Diagnosefeststellung von Infektionserkrankungen ist im Sinne einer qualitativ bestmöglichen Versorgung daher abzulehnen.“

Mit ihrer Ablehnung des Entwurfs stehen die beiden Verbände nicht allein. Aus anderen Gründen ist auch die Bundesvereinigung der Apothekerverbände (ABDA) strikt gegen das Vorhaben. Der Gesetzentwurf sieht vor, die packungsbezogenen Zuschläge zur Vergütung von Notdiensten um rund 30 Prozent von 21 Cent auf 28 Cent pro Packung eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels zu erhöhen.

Für die Vergütung geleisteter Notdienste würden demnach künftig etwa 50 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen. Für jeden geleisteten Vollnotdienst würde eine Apotheke dann eine Pauschale in Höhe von rund 550 Euro erhalten. Zudem soll der prozentuale Anteil der Apothekenvergütung stufenweise von drei auf zwei Prozent abgesenkt, die dadurch freigewordenen Mittel aber gleichzeitig in eine Erhöhung des Fixums fließen.

„Auf diese Weise wird die ungleichmäßige Verteilung der Packungshonorare zwischen den Apotheken aufgrund stark angestiegener Arzneimittelpreise in einigen Arzneimittelsegmenten ausgeglichen, während eine Kostendeckung für preisbezogene Kosten weiterhin erhalten bleibt“, heißt es im Entwurf. Diese Änderung stärke insbesondere grundversorgende Apotheken in der Fläche.

Ab 2027 soll die Höhe des Fixums dann durch eine Vereinbarung zustande kommen. Bisher wird die in der Arzneimittelpreisverordnung geregelte Vergütung der Apotheken durch ein Verordnungsänderungsverfahren angepasst. Mit Wirkung zum 1. Januar 2027 sollen dann die Apothekerverbände mit dem GKV-Spitzenverband ein neues Fixum aushandeln.

Die Kritik der ABDA bezieht sich jedoch auf die die zweite Säule des Gesetzes, nämlich strukturellen Anpassungen in den Vorgaben für Eröffnung und Betrieb von Apotheken. Sie sehen unter anderem flexiblere Öffnungszeiten vor sowie die einfachere Gründung von Zweigapotheken und mehr Spielraum bei der Gründung von Filialapotheken.

Insbesondere soll aber ermöglicht werden, dass Apotheken anders als bisher geöffnet sein können, wenn kein approbierter Apotheker anwesend ist. Es reiche dann die Anwesenheit von erfahrenen Pharmazeutisch-technischen Assistentinnen oder Assistenten (PTA) unter der Bedingung, dass eine telepharmazeutische Anbindung an Apotheker im Filialverbund sichergestellt ist und die Apothekenleitung mindestens acht Stunden pro Woche persönlich anwesend ist.

„Das ist ein schwerer Tabubruch“, kritisiert ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. „Einrichtungen ohne Apothekerinnen oder Apotheker sind keine Apotheken. Da hilft es auch nicht, wenn ein Apotheker oder eine Apothekerin für ein paar Stunden pro Woche vorbeischaut.“

Dabei würde es sich um „Abgabestellen auf niedrigstem Niveau“ handeln, durch die die Versorgung bagatellisiert und abgewertet würde sowie nicht verantwortbare Risiken für die Patientinnen und Patienten entstünden.

Auch die Honorierung werde zwar umstrukturiert, „aber es kommt kaum weiteres Geld in das bereits seit Jahren unterfinanzierte System der Arzneimittelversorgung über die Apotheken vor Ort“, erklärte Overwiening. „Hier fehlt es an jeglicher schneller Unterstützung.“ Der Entwurf sei deshalb keine Weiterentwicklung der apothekerlichen Tätigkeit in den Apotheken vor Ort, „sondern kommt einem Trojanischen Pferd gleich“.

lau

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